Trotz Ausnahmeklampfer Gus G (Ex- Dream Evil) zündeten "Forgotten Soul"
(von "Regressus") oder auch der Ausblick aufs noch kommende "Neverending"-Album
"Burning Bridges" erkennbar nur bei einigen der wenigen vor der Party
Stage erschienenen Unentwegten.
Statt zu Death Angel trieb uns nun Neugier oder auch selbstquälerische Züge
vor die Jim Beam Stage. Die Crew eröffnete den Karaoke-Reigen, um zu zeigen,
wie es läuft, mit einer jauligen Version von Ozzys "Dreamer", die
ihren Zweck voll erfüllte: DARAUFHIN traute sich nun manch eine(r) zur nicht
geringen Freude u.a. aller im Paulaner-Biergarten der Dinge harrender Kunstkritiker.
Gigantische Staubwolken vor der Party Stage signalisierten nun die Aufnahme der
Feindseligkeiten seitens Ungarns Antwort auf Sepultura: Ektomorf. Klasse Hüpfcoretrash,
bei dem sich die Menge nicht schonte.
Bei Unleashed waren Songs wie (Go) "Berserk" Programm: Ihr fünfzehnjähriges
Bestehen feierten sie auf dem gleichaltrigen Wacken-Festival mit Klassikern wie
"The Immortal" (wobei der Gesang live erheblich nuancierter ausfiel
als auf Platte) oder dem Titelsong von "Hell's Unleashed" oder auch
"Winterland", dem Opener des topaktuellen "Sworn Allegiance"-Albums,
mit fast an Melodic Thrash erinnernden, besonders starken Gitarrenparts. Sympathische
Truppe, starker Auftritt – und Old School Death Metal Gigs mit deutlicher
Aufforderung zum Mitsingen erlebt man ja auch nicht alle Tage.
Da mit Floor Jansens Jauchzern und ihren After Forever schon mehr als hinlänglich
vertraut, lenkte man nun seine Schritte zur offiziellen Pressekonferenz der Veranstalter
hin. Hier wurde von Hesse, Jensen, Hübner (sowie vom Wacken-Security-Chef
Thomas Hess, der auch Tourmanager der Onkelz ist) wenig überraschenderweise
bekräftigt, dass die Entscheidung, die Bösen Os auftreten zu lassen,
ganz genau richtig war, und der Eindruck bestätigt, dass Kevin & Co.
eine bislang beispiellose Anzahl von Tagesbesuchern gezogen haben. Auf die Frage
nach den Finanzen erfuhr die kleine erschienene Journalistenschar, dass das Festival
ca. zwei Millionen Euro Kosten verursacht habe und – hoffentlich –
auch rund zwei Mio. Einnahmen einspielen werde. Der Gesamtregion inklusive aller
Tankstellen, Hotels etc. soll das W:O:A allerdings einen Umsatz von ca. zehn Mio.
Euronen bescheren. Allerdings liefen den Veranstaltern inzwischen u.a. wegen der
inzwischen zwölf festen ganzjährigen Mitarbeiter Zusatzkosten von ca.
900.000 Euro auf. Thomas Jensen: "Insgesamt freuen wir uns, wenn am Ende
des Jahres genug für einen Urlaub übrig bleibt".
Damit haben Peter Tägtgrens Hypocrisy vermutlich weniger Sorgen, statt dessen
sorgte sich Peter um das zu seinen Füßen dehydrierende Publikum: "Drink
A Lot!". Sich selber an Wasser haltend feuerte díe Pioniergestalt
des Melodic Death Metal im Folgenden eine köstliche Selektion an DM-Erfrischungen
in die Menge, darunter "Eraser" von der aktuellen "The Arrival"-Scheibe,
aber auch "Turn The Page" oder "Inferior Devotees", von "Hypocrisy
Destroys Wacken", jenem damals vorgeblich letzten Hypocrisy-Auftritt aus
'99. Damals zerstörten sie noch im Zelt, heute die Black Stage. Peter T.
schaute über den Bühnenrand in die endlos wogenden Massen und teilt
seine (ebenso anschaulichen wie etwas verwirrenden) Gefühle mit uns: "Ich
hab noch nie den Pit von Wacken gesehen, das ist wirklich unglaublich. Es ist
besser, als 2.000 Mädchen im Bett zu haben". Soll so sein. "Deathrow
(No Regrets)" oder "Roswell 47" rundeten einen der aus unserer
Sicht gelungensten Beiträge des ganzen Festivals vorteilhaft ab.
Schwieriger geriet’s da schon mit Helloween: So sympathisch und gleichzeitig
beeindruckend die Vorband agierte, so zutiefst peinlich missriet vieles, was der
Kürbiskopf am Mikro Andi Deris so anrichtete. Viel peinlichere Dummschwätzerei
wird wohl auch bei Dieter Thomas Heck selten geboten, und auch die erfolgreichen
Versuche von Gitarrist "Weiki" Weikath, als unzurechnungsfähig
durchzukommen, halfen der Performance nicht wirklich auf. Schwachsinnige Publikumswettbewerbe
("und jetzt die linke gegen meine Lieblinge von der rechten Seite")
konnten aus dem ohnehin müden "Power" (von "Time Of The Oath")
auch keine Funken mehr schlagen. "Starlight", "Keeper Pt. 2",
"Eagle Fly Free", "Dr. Stein" oder das von einem Sitar-Intro
eingeleitete "Sigh For The World" hätten ja jede Menge Potenziale,
aber der Autor wurde das Gefühl nicht los, einen Haufen zu beobachten, der
sich inzwischen überlebt hat oder sich in einem Formtief wie dem Mariannengraben
befindet. Dies verdichtete sich nur, als zu den alten, wunderbaren Nummern "How
Many Tears" und "Future World" Gründungsmitglied Kai Hansen
auf die Bühne geholt wurde, der aber leider nicht singen durfte. Wer "Walls
Of Jericho" im Schrank stehen oder Helloween noch mit dem anbetungswürdigen
Michael Kiske gesehen hat, wird wissen, was hier gemeint ist...
Die enorm jung wirkenden Children Of Bodom sollten diese seifigen Eindrücke
allerdings alsbald wieder zurechtrocken. "Silent Night, Bodom Night",
"Bodom After Midnight", "Six Pounder" oder "Every Time
I Die" stellten das gerne genommene erfolgreiche Gegengift. Mit ihrer Mischung
aus In Flames und Sonata Arctica, den rasend schnellen ("upright" gespielten)
Keyboard-Passagen, teils als Tutti-Läufe mit Gitarren gebracht, brachten
die Finnen das wohl größte Crowdsurfer-Aufgebot des Festivals in die
Lüfte.
Was soll man zu den in Wacken fast alljährlich einfliegenden Saxon noch groß
sagen? Für Lichtbildkünstler Stephan "die beste Liveband"
der Welt, für unsereinen The Oldest Wave of British Heavy Metal - dazwischen
wird irgendwo die Wahrheit liegen. Unbestritten ist, dass die Band anlässlich
ihres 25jährigen Bandbestehens ein volles Pfund Kohlen ins Feuer schippte:
"Heavy Metal Thunder" jagte "Dogs Of War", gefolgt vom steinalten
"Backs To The Wall", "Solid Ball Of Rock", "20.000 Feet",
"Traveller In Time", "Dragon's Lair", "Rock Is Our Life"
(das vom W:O:A handelt), "Princess Of The Night", "747" (zu
dem der ehemalige Saxon-Fellgerber Nigel Glockler die Schiessbude bemannte und
sich ordentlich schlug), "And The Band Played On", "Crusader"
(inzwischen ist mit Jörg Michael auch der Auswechselspieler für den
etatmäßigen Drummer Fritz Randow auf der Bühne..), "Wheels
Of Steel" (bei dem Chris Caffery von Savatage und Schmier von Destruction
die Reihen auf der Bühne füllten), "Denim & Leather",
"Forever Free" und schließlich als Zugage "Dallas, 1 PM".
Puh. Übrigens hüpfte das alte Schlachtross Biff in W:O:A derartig animierend
("Jump! You fuckers are younger as I am!"), dass Saxon das Sziget-Festival
in Ungarn im Anschluss absagen mussten, verletzungsbedingt. Das Konzert in Wacken endete
jedenfalls noch planmäßig und mit einem keine Kosten sparenden mehrminütigen Feuerwerk.
Müdigkeitsbedingt leider nur noch teils aufnahmefähig setzte man sich
nun auch noch einem der ganz wenigen Raritätenangebote des diesjährigen
Billings aus: Die Black Metal-Extremlinge Satyricon agierten verstärkt durch
Sänger/Gitarrist Nocturno Culto von den wegen ihren ehedem (je nach Auslegung)
faschistoiden Texten umstrittenenen Darkthrone. Stücke wie "Repined
Bastard Nation" gerieten nicht zuletzt durch die Beiträge der hübschen
Keyboarderin wunderbar "episch", ein würdiger Abschluss for this
year's Wacken Circus – wenn auch nur für den Autor, denn J.B.O. lärmten
durchaus noch länger vor ihren rosa (!) Marshall-Verstärker-Türmen..
Man kann absolut verstehen, dass zum 15-jährigen Jubiläum auch so etwas
wie ein Rückblick oder Querschnitt geboten werden sollte, aber die dieses
Jahr aus diesem Ansatz resultierenden rund 40 Prozent Kaspermucke und 90 Prozent
Re-Runs sind schon eine Beeinträchtigung. Warum sich nicht mal wenigstens
etwas öffnen, mal etwas riskieren? Warum nicht mal etwas progressivere Klänge
zulassen (wie lange waren – nur als zufällige Beispiel - Fates Warning
nicht mehr in Deutschland, die sicher keinen Metalfan überfordern würden?),
warum nicht auch mal Folk-Experimente à la Finntroll (Eläkeläiset
zeigten doch, dass es ankommt), Tyr oder Turisas? Gleichzeit großes Lob
in diesem Zusammenhang für das durch die "Metal Battle"-Endausscheidungen
bewiesene Herz für den Nachwuchs!
>> Zur Foto-Galerie, 3. Tag: Samstag, 07.08.2004
<< Zum Festivalbericht, 1. Tag: Donnerstag, 05.08.2004
<< Zum Festivalbericht, 2. Tag: Freitag, 06.08.2004
Links:
>> Homepage Wacken Open Air mit Running Order und Band-Page-Links
>> Konzertbericht JUZ Andernach Open Air mit Saxon, 03.07.04 bei POP FRONTAL
>> Tourinfo Saxon bei POP FRONTAL
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