Kante: Die Tiere sind unruhig - Nur laut hören

Kante: Die Tiere sind unruhig (Labels / EMI)

Typischer Thread irgendwo in dieser Musikwelt: „Alben, die man nur laut hören kann“. Dann lässt man den Blick über seine Plattensammlung streifen. Am Ende wird es eine Auflistung von unzähligen Alben sein, die nach Users Meinung mindestens unter voll vorgeschobenen Reglern zu goutieren sei. Kante beteiligen sich, ganz in der Tradition der Stones. Die ließen schon in den Linernotes zu „Let it Bleed“ darauf hinweisen. „This Record Should Be Played Loud!“. So prangt es kaum übersehbar im Booklet. Anderenorts philosophiert man sich noch die Köpfe über das sozialistisch-leninistisch anmutende Cover heiß. Kante haben es geschafft: Die Tiere sind unruhig! Lassen Peter Thiessen und seine Bande nun die Sau über das Land reiten? Ja und Nein! Wohltuend entfernt ist das vom Zweckperfektionismus vergangener Tage. Von Konzeptideen und der Suche nach der Quadratur kreisender Songstrukturen. Geblieben ist ihr Hang zum Ausufernden. Titel unter sechs Minuten? Funktioniert nicht im Kantekosmos. Wo ließen sich sonst Tempiwechsel, die mal irrwitzigen, mal lethargischen Passagen alle unterbringen. Gleich zu Anfang tönt es warnend, fast abgrenzend in den Raum hinein. Als wolle man dramatisch klarmachen, dass dieses hier mit dem „Vorher“ bricht. Stakkato à la The Edge aus 1985 bricht unter einer nicht minder weit hergeholten Melodie im Titelstück. „Ich hab's gesehen“ schaut in die dreckige Dunkelheit und klingt dabei, als wühlte Lou Reed mit den Queens of the Stone Age gemeinsam beim Deutschlernen unter einer Bettdecke. Von „Wimpernschlag und Wolkenbruch“ wird später die Rede sein („Nichts geht verloren“), was den Charakter dieses Albums Wort für Wort auf den Punkt bringt. Puristen fühlen sich im Instrumental „Ducks and Daws“ (mit Micha „The Notwist“ Acher an Trompete und Flügelhorn) an Zeiten erinnert, da ein gewisser Tim Isfort Deutschland orchestrale Jazz-Adaptionen servierte und dafür gefeiert wurde. Dass Kante dann auch noch vollkommen ungebeten zu einer Funky-Freestyle-Party zwischen Himmel und Hölle laden, mag nur die enttäuschen, denen Thiessen schon immer zu gerne ernstes Gewissen war. „Die Hitze dauert an“ erklärt am Ende den latenten Zweifel zum Zustand. Kante springen über einige Schatten eigener Selbstdefinitionen. Das Beunruhigende daran ist: Sie tun dies in Perfektion! Live im September dort, wo man Konzerte nur laut hören kann!