John Watts: Real Life Is Good Enough - Grantler und Querkopf?

John Watts: Real Life Is Good Enough (Silversonic / H'ART)

Man kann diese Stimme ganz einfach beschreiben. Ein gezielter Griff unter „F“ in das Plattenregal genügt, um das mögliche Fragezeichen in einen Aha-Effekt zu verwandeln. Nun ist ja 1978 auch schon eine Weile her, und diese Band, die sich zwanglos aufmachte, gemeinsame Nenner zwischen Punk, verziertem Wave und Reggae zu finden, lange schon nicht mehr existent. Die Rede ist nicht von The Police. Die waren Party. Fischer Z eher der Kater, die Realität, ein Morgen danach. Ihren Platz hatten sie irgendwo am Randzipfel des ausgefransten Palästinensertuches gefunden. Fischer Z waren anklagende Stimme gegen den kalten Krieg und Gewerkschaftler zugleich. Nannten dazu den wohl schnellsten „Limbo“ der Welt ihr Eigen. Der Backkatalog reicht noch heute aus, um eine Tanzhalle voller Studienräte und Abiturientinnen ohne Probleme eine halbe Stunde mit Hits zu spicken. Was keinen interessierte, war die Tatsache: Fischer Z = John Watts! Charismatischer Kopf und fleischgewordene Rhythmusgitarre. Heute bezeichnen ihn manche als einen Grantler und Querkopf. Bescheidenheit ist seine Sache bis heute nicht. Immer geradeaus die Dinge beim Namen nennen. Versetzt mit einem Humor, der nur allzu gerne in beißenden Sarkasmus überleitet. Jetzt überrascht er mit einer neuen Idee. Was nicht in das Gewand eines Songs passt, wird zur Poetry im beigefügten Gedichtband. 16 Tracks befinden sich schon auf den zwei mal dreißig Minuten des Doppelalbums. Erbsenzähler werden es sofort bemerken. Das hätte man gut auf einer Scheibe unterbringen können. Entstanden sind so aber zwei getrennte kompakte Einblicke in das zynische, aber auch sanfte Innenleben John Watts'. Ob es gegen das aufgeblähte Musikfernsehen geht („Music Television“), um „the supersonic, right-upon-it, catastrophic odyssey of man“ („The Spirit and the Chase“) oder den Tag, als der Mann in Schwarz starb („The Day Johnny Cash Passed Away“). Eingespielt lediglich zu zweit mit einem, der sein Sohn sein könnte. Sam Walker, eigentlich Schlagzeuger bei Turning Green, füllt weit mehr als nur die Rolle eines Zuarbeiters aus. Aggressives Songwriting schlägt uns da ebenso entgegen, wie die Entdeckung, dass „Sound of the Western World“ sehr wohl eine Idee aus „Red Skies over Paradise“-Zeiten sein könnte. Passend zur übersichtlichen Aufnahme ist die Gestaltung der chronologischen und kommentierten Gedichtsammlung in schlichtem Schwarz-Weiß mit grauen Zwischentönen gehalten. Reichlich Stoff also und ganz schön viele Gelegenheiten, dem eigenen englischen Vokabelwissen auf den Zahn zu fühlen. „Real Life is Good Enough“ – wahrscheinlich für einen wie John Watts gerade mal gut genug für den Moment. Für viele andere wohl endlich das Album, welches die lauen Fischer Z Wiederbelebungen der Neunziger mühelos vergessen lässt. Zu einem kleinen Meet & Greet konnten wir John Watts im Oktober bereits live erleben (siehe Foto-Galerie), im November kommt er auf ausgiebige Tour!