Das Dieter Roth Orchester spielt kleine wolken, typische scheisse...

Das Dieter Roth Orchester spielt kleine wolken, typische scheisse und nie gehörte musik (Intermedium Records / Strunz! Enterprises)

Hätte Wolfgang „Die Tödliche Doris“ Müller damals anno 1981 nicht zufällig in einem Antiquariat am Berliner Kudamm einen Lyrikband von Dieter Roth aus der Grabbelkiste gezogen, wäre uns dieses wunderbare Kleinod Popmusik, das dieser Tage als Teil einer 3teiligen Radio-Hommage des Bayerischen Rundfunks erschienen ist, wohl vorenthalten geblieben. „Das Dieter Roth Orchester spielt kleine wolken, typische scheisse und nie gehörte musik“ klingt zunächst nach einer abgefahrenen konzertanten Performance. In Zusammenhang mit dem Universalkünstler Dieter Roth (1930-1998) kein abwegiger Gedanke. Neben der Malerei und Bildhauerei, der Designerei und Grafikerei, dem Filmen und Schreiben widmete sich Dieter Roth auch dem Musikmachen. Machen hieß dabei gerne zusammen Machen. Und so veranstaltete er kollaborative Klangorgien, bei denen es – wie auch in seinen anderen Arbeiten – mehr auf das Prozesshafte, das gemeinsame Verändern ankam, als darauf, die geschaffenen Dinge zu konservieren. Direkt zusammen musiziert hat das Dieter Roth Orchester im Falle des vorliegenden Samplers nun nicht. Vielmehr haben die an der Compilation beteiligten Musiker unabhängig voneinander Gedichte von Dieter Roth vertont und damit mehr als eine Hommage geschaffen: dass Dieter Roths Gedichte einfach mal ein neues musikalisches Kleid anprobieren, wird ganz nach des Meisters Gusto sein und den Schaffensprozess in seinem Sinne fortsetzen. Zudem wird Popmusik hier auch in einem anderen prozesshaften Sinne verstanden, nämlich als Mittel zum populär Machen. Dies kommt Dieter Roth posthum ebenfalls zugute, denn Lust darauf, sich auch als Neuling mit dem Werk Dieter Roths zu beschäftigen, machen diese allesamt äußerst gelungenen Stücke allemal. Der merkwürdigen Lyrik angenommen haben sich deutsche und isländische Künstler (Dieter Roth hat lange in Island gelebt): Wolfgang Müller haut dem Leben eins drauf, Andreas Dorau lässt die Sabelle fliegen. Mutter wissen auch nicht, warum das so ist, und lassen das Es einfach in einem Gitarrennebel verschwinden. Ghostdigital schlagen mit nekrophilen Country-Gitarren unterlegt von derben Eletro-Beats bitteren Schaum. Mit Trabant blickt der Vogel Ich aufs Meer hinab, und Stereo Total geben sich der kleinen Schweinerei ohne Ende hin. Weitere wunderbare Klangpetitessen gibt es von Khan, Max Müller, Mouse On Mars, Wollita, dem Walther von Goethe Quartett, Armand & Bruno und Ulfur Hrodolfsson. Und da die janze Schose ja irgendwie ihren Anfang in der Mauerstadt genommen hat, halten wir es beim Resümee einfach mal mit den Berlinern: Dett is ne Wolke! Und zwar ne jroße, keene kleene!