Bert Kaempfert: The Complete Concert 1979

Bert Kaempfert: The Complete Concert 1979 (Polydor / Universal)

Da steht er im gebügelten Seidenmatt. Vertrauensvoll wirkender Vertreter einer vergangenen Branche unterschiedlichster Bandleader. Partyhengst Last hier, Anti-Kosmopolit Greger dort. Am Rande Noris' steife Bundeswehrkapelle. Kann eigentlich Weltruhm unauffälliger und bescheidener gedeihen als im Falle Bert „Fremde in der Nacht“ Kaempfert und seiner Big Band? Wir befinden uns auf dem Höhepunkt dieser unglaublichen Karriere. Man schreibt das Jahr 1979. Karl Carstens wird Bundespräsident, Franz Josef Strauß kandidiert für den Bundestag, Voyager 1 fliegt am Jupiter vorbei und Trivial Pursuit wird erfunden. Mitten im Sommer jenes Jahres steht „Er“ mitten in Deutschland mitten auf der Bühne der Neu-Isenburgischen Hugenottenhalle. Es ist die Zeit der originalen Atze-Schröder-Brillen unter Fönfrisuren. Zum Aufwärmen des bedächtig chronisch mitwippenden Publikums ein Ohrwurmmedley, welches leise „Three O'Clock In The Morning“ ausklingt. Radiostandards aus jener Zeit. Beifall und weiter in mundgerechten Drei-Minuten-Happen. „Chanson D'Amour“ streicht zart wie ein Messer über die Frühstücksbutter. „Snowbird“ lässt knackenden Bass und Blaswerk umeinander tänzeln. Dann tritt das gesamte Orchester (zumindest gefühlt) einen ganzen Schritt voller Respekt nach hinten zurück. „Sie“ ist zu Gast: Sylvia Vrethammar aus Schweden. Wie aus dem Nichts zeigt diese Ausnahmesängerin mal allen behäbigen, schmalzüberzogenen „Spanish Eyes“-Interpretationen, wo eigentlich die Leichtigkeit des Seins weht. Irgendwann kumuliert das im „La Boum“ für erwachsen gebliebene („You Turned My World Around“) oder verglüht wie Nachbars Sternschnuppe („A Song For Lovers“). Wenn Nonchalance jemals in einem einzigen Konzert verkörpert wurde, dann hier. Auch wenn es in seltenen Momenten mal zu sehr nach Anti-Aging-Creme duftet. Das passt schon. Ein Jahr und einen Tag nach diesem (in voller Länge bisher unveröffentlichten) Fernsehauftritt verstarb Kaempfert völlig überraschend im Alter von nur 59 Jahren. Am 5. Oktober initiiert der Norddeutsche Rundfunk ein Tribut-Konzert auf der Hamburger Kehrwieder-Bühne. Kaempfert wäre in diesem Monat 85 Jahre alt geworden.