ClickClickDecker: Den Umständen entsprechend - Ein Zitatschatz

ClickClickDecker:
Den Umständen entsprechend
(Audiolith / Broken Silence)

Vor kurzem verlinkte Spiegel-Online in einem Artikel über Filesharing und Raubkopien anlässlich des Prozesses um The Pirate Bay auf das Blog von ClickClickDecker. Kurz nach der Veröffentlichung seines dritten Albums „Den Umständen entsprechend“ wurde Kevin Hamann so eine mediale Aufmerksamkeit zuteil, die sich normalerweise nur für viel mehr Geld kaufen lässt, als das kleine Hamburger Audiolith-Label in Promotion zu investieren gewohnt ist. In seinem Eintrag vom 12.01.09 wurde eigentlich nur die Frage eines Fans, in welchem Shop man seine Veröffentlichungen seiner Meinung nach am besten kaufen solle, beantwortet (Label oder Künstler direkt natürlich). Eher am Rande ließ Kevin Hamann in zwei Sätzen seinen Missmut über die Tatsache verlauten, dass sein neues Album bereits vor dem eigentlichen Veröffentlichungstermin aus dem Netz geladen werden konnte.

Was folgte, waren knapp 100 Kommentare zum Filesharing als solches, die an dieser Stelle jedem empfohlen seien, der sich einen Überblick über die guten und schlechten Pro- und Contra-Argumente verschaffen möchte.
Inzwischen steht „Den Umständen entsprechend“ schon ein paar Wochen in den Regalen. Die mediale Aufmerksamkeit hat sich wieder gelegt, und die Kritikermeinungen sind eingeholt. Ein guter Zeitpunkt also, auf Tour zu gehen oder die nächste Aufmerksamkeit generierende Aktion loszutreten. ClickClickDecker macht einfach beides. Aktuell lassen sich von seinem eingangs erwähnten Blog die Spuren vom Song „Dialog mit dem Tölpel“ downloaden. Auf diese Weise wird zum öffentlichen Remix-Contest eingeladen, dessen Gewinner-Track auf der anstehenden Auskopplung als B-Seite erscheinen soll. Grund genug für POP FRONTAL, an dieser Stelle nicht nur auf all das hinzuweisen, sondern im selben Atemzug noch ein paar Sätze zum eigentlichen Album loszuwerden.

Musikalisch hat sich auf „Den Umständen Entsprechend“ vor allem die Herangehensweise geändert. Nachdem „Ich habe keine Angst vor“ und „Nichts für Ungut“ allein im heimischen Schlafzimmer aufgenommen wurden, entschied sich Hamann nach dem Probehören der Aufnahmen von „Den Umständen Entsprechend“, das komplette Album noch einmal, Spur für Spur, neu einzuspielen. Gemeinsam mit Tobias Bade (Station 17, The Sea) und Oliver Stangl entstand in den 17Studios das vorliegende Produkt. Für Hamann ein durchaus ungewöhnliches Prozedere, nie zuvor wurden andere Musiker so eng in die Entstehung seiner Songs einbezogen. Aber, um es mit ClickClickDeckers Worten zu sagen: „Weggehen bedeutet nicht unbedingt, irgendwo anders dann anzukommen“. Oder mit Konfuzius: „Der Weg ist das Ziel“. Denn dass er sich auf den Weg gemacht hat, ist unüberhörbar, und es bleibt spannend, wo seine Reise noch hingehen wird. Seine Zwischenstation bei Bratze und die dort vollzogene Entwicklung sei hier nur am Rande erwähnt. Fans der ersten Platten werden „Den Umständen Entsprechend“ ebenso lieben wie „Nichts für Ungut“. Wer die alten Platten nicht mochte, wird über diese den Zugang ebensowenig finden wie all jene, die hier auf eine Fortsetzung von „Kraft“ hofften.

Diejenigen aber, die sich im deutschsprachigen Indie-Whatever wohl fühlen, bekommen auf „Den Umständen Entsprechend“ alles, um glücklich zu werden. Melodische und knarzige Gitarren, treibende und zurückhaltende Rhythmen, ein paar dezente Bläser hier, etwas untermalende Elektronik dort. Das alles getragen von Texten, die dem Hörer je nach Stimmung die Welt dort draußen erträglicher machen und das Herz öffnen. Oder eben so melodramatisch, mystisch und interpretierbar bleiben, dass sie genügend Stoff für das nächste gute Dutzend Sitzungen des Debattierclubs abgeben. Kritischere Zeitgenossen könnten anmerken, die Phrasendichte auf diesem Album übersteige die kritische Grenze des Zumutbaren. Auf der anderen Seite wird man von Kevin Hamann mit Gedanken, Wortspielen und Sätzen entschädigt, die mit Sicherheit Einzug in das Vokabular bzw. den Zitatschatz aller Hobbypopmusikwissenschaftler halten werden. Wir könnten auf den Konzerten ja alle ein Bier zusammen trinken und uns austauschen…